FOCUS und STERN: Top-Anwalt für Familienrecht!
Der Focus präsentiert jährlich, jetzt gibt es eine Liste der "Besten Anwaltskanzleien" auch im Stern. Wir zählen also nicht nur 2023 erneut und seit Jahren in durchgehender Listung zu den "Top-Rechtsanwälten" Deutschlands, sondern auch zu den "Besten Anwaltskanzleien" im Bereich Familienrecht. Wenn das kein Grund zur Freude ist!
(BVerfG 1 BvL 5/18; vorangehend: OLG Hamm 10 UF 178/17)
Am 10.3.2020 fand die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsgemäßheit von § 17 VersAusglG statt.
Das Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) geht vom Prinzip aus, dass die ehezeitlich von den Ehegatten erworbenen Versorgungen grundsätzlich dadurch zwischen den Gatten geteilt werden, dass beim Versorgungsträger der auszugleichenden Versorgung in Höhe ihres hälftigen Ehezeitanteils eine Versorgung zu gleichen Konditionen für den ausgleichsberechtigten Gatten begründet wird (interne Teilung). Dadurch nehmen beide Ehegatten an Chancen und Risiken des ehezeitlichen Versorgungserwerbs gleichermaßen teil. Dieses Prinzip der „internen Realteilung“ wird nur im Fall einvernehmlicher vertraglicher Vereinbarungen der Ehegatten, oder im Fall von Bagatellrenten bis zu einem Rentenwert von derzeit 63,70 € monatlich oder einem Kapitalbetrag von 7.644 € durchbrochen.
Für Betriebsrenten in Form einer Direktzusage oder aus einer Unterstützungskasse sieht das Gesetz indessen eine Ausnahme vor. Diese Renten können bis zu einem Kapitalwert in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung (derzeit 82.800 €) extern geteilt werden. Bei der externen Teilung hat der Träger der Versorgung des ausgleichspflichtigen Ehegatten die Hälfte des der ehezeitlich erworbenen Rente entsprechenden Kapitalwerts einer anderen Versorgung zur Begründung einer Versorgung für den ausgleichsberechtigten Gatten zur Verfügung zu stellen (Zielversorgung). Als Zielversorgung für diese Form des Rentenausgleichs kommen praktisch nur die gesetzliche Rentenversicherung (DRV) oder die Versorgungsausgleichskasse[1] in Betracht. Alle privaten Versicherungen bieten vergleichsweise indiskutabel schlechte Alternativen und die gesetzliche Rentenversicherung scheidet als Zielversorgung aus, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte bereits Altersrentner ist.
Beispiel: Aus einer betrieblichen Versorgung mit einem Wert von 165.600 € stünde einem 50jährigen Mann eine Rente von ca. 1.300 € monatlich zu. Wenn diese Rente ehezeitlich erworben wurde, steht der Ehefrau davon die Hälfte als Versorgungsausgleich zu. Bei Einzahlung des Ausgleichsbetrages von 82.800 € in die Versorgungsausgleichskasse betrüge die Rentenerwartung aus diesem Kapital für die gleich alte Ehefrau knapp 300 € Garantierente und (Optimisten sterben nicht aus) ca. 375 €[2], wenn die Versorgungsausgleichskasse Gewinne erzielen sollte. Ein bei diesem Ausgleich erlittener Verlust von mehr als 50% der Versorgungsvolumens kann man nicht mehr als ‚Petitesse‘ begreifen, zumal die ausgleichspflichtige Person einen Versorgungsverlust in Höhe von 650 €, also der Hälfte ihrer Versorgung, erleidet und damit einen hohen Preis für eine geringe Versorgung des geschiedenen Gatten zahlt, dem er wegen dessen geringerer Rentenerwartung später möglicherweise unterhaltspflichtig verbleibt.
Heute könnte man den Verlust begrenzen und als Zielversorgung des Ausgleichs die gesetzliche Rentenversicherung wählen. Die brächte zwar zum Stichtag ebenfalls nur eine Rente von ca. 363 € monatlich, unterstellt man aber realistisch eine Dynamik der gesetzlichen Rentenversicherung von 2% (derzeit ist die Dynamik weit größer), errechnet sich für den 50järigen Ausgleichsberechtigten eine Rentenerwartung von 530 € im Alter von 67 Jahren und das, obwohl zusätzlich Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung abgesichert wären.
Bei einer Scheidung im Jahr 2009 wäre aus dem damaligen Höchstbetrag für die externe Teilung von 64.800 € bei einem Zinssatz von 5,25 %
entstanden. Ein Rentenverlust von mehr als 50% für die ausgleichsberechtigte Person stellt eine eklatante Verfehlung des die Ehe und das Scheidungsrecht beherrschenden Grundsatz der Halbteilung dar. Benachteiligt sind meist Frauen, die als Folge des noch häufig geringeren ehezeitlichen Verdienstes auch im Scheidungsfall die geringeren Versorgungsanrechte haben.
In den Fällen, in denen die gesetzliche Rentenversicherung als Zielversorgung nicht gewählt werden kann, weil die ausgleichsberechtigte Person bereits Altersrentner ist, kommt nur die Versorgungsausgleichskasse als Zielversorgung in Betracht. Die von ihr gewährten Renten unterschreiten jedoch die Rentenerwartung der gesetzlichen Rentenversicherung noch viel deutlicher.
Bereits seit Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes 2009 sind Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm aufgekommen[3]. Wenn heute die Rentenerwartung bei einer Teilung des Ausgleichswerts in die gesetzliche Rentenversicherung zu einem angemessenen Ausgleichsergebnis führt, dann ist das nicht der Ausgleichssystematik des Gesetzes, sondern der Zinspolitik der EZB zu verdanken. Seit Jahren sinken die Rechnungszinsen und haben sich von mehr als 5% im Jahr 2009 über 3% Mitte des Jahres 2017 bis auf das jetzige Niveau von knapp 2% stetig abgesenkt. Bei geringeren Rechnungszinsen ist der Kapitalwert und damit der Ausgleichswert einer Versorgung höher als bei hohen Zinsen. Deswegen profitieren die Ausgleichsberechtigten heute von der Möglichkeit, relativ hohe Ausgleichswerte in die gesetzliche Rentenversicherung über den Versorgungsausgleich einzuzahlen.
Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2016 das Dilemma der Halbteilungsverfehlung durch die vom Gesetzgeber zugelassene Teilung werthaltiger betrieblicher Versorgungen in § 17 VersAusglG erkannt. Gleichwohl hat er die Ergebnisse gebilligt, weil bei gegenläufiger Entwicklung der Zinssätze ein umgekehrter Effekt eintreten könne[4]. Die damalige Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist kritisiert worden, weil der Halbteilungsgrundsatz für jede einzelne Ehe zu wahren ist und der im Jahr 2009 geschiedene Ehegatte nicht weniger über die Verfehlung Halbteilung in seinem Fall empört sein wird, weil der zehn Jahre später geschiedene Ehegatte durch die externe Teilung profitieren kann.
Es ist daher begrüßenswert, dass das Oberlandesgericht Hamm eine verfassungsgerichtliche Entscheidung herbeiführt. Ebenso begrüßenswert ist es, dass das Bundesverfassungsgericht die mündliche Verhandlung langfristig und öffentlich angekündigt. Nun muss das Bundesverfassungsgericht bei Zulässigkeit eines Vorlagebeschlusses immer mündlich verhandeln (§ 82 Abs. 3 BVerfGG), Vorfreude auf verfassungsgerichtlich durchgesetzten Gerechtigkeitsgewinn ist daher allein gestützt auf die Anberaumung eines mündlichen Verhalndlungstermins nicht angezeigt. Die Hürde der Zulässigkeit hat der Vorlagebeschluss des OLG Hamm erfreulicherweise allerdings schon einmal übersprungen. Das lässt hoffen, sollen doch einige die Unzulässigkeit des Antrags gerügt haben.
Die Anwaltschaft sollte nun erst recht in Verfahren, in denen Anrechte aus der betrieblichen Altersversorgung extern geteilt werden sollen und eine Einzahlung des Ausgleichswerts in die gesetzliche Rentenversicherung nicht möglich ist (weil die ausgleichsberechtigte Person schon Altersrentner ist, § 187 SGB VI) Handlungsalternativen genau abwägen, ob das Versorgungsverfahren bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichts ausgesetzt oder der externe Ausgleich akzeptiert wird.
[1] Die Versorgungsausgleichskasse ist der „Auffang-Versorgungsträger“ für alle die Versorgungen, die extern geteilt werden und bei denen eine ‚bessere‘ Versorgung bei einem anderen Versorgungsträger nicht begründet werden kann. Die Versorgungsausgleichskasse ist nicht werbend tätig, hat daher niedrige Verwaltungskosten und steht nur dem Ausgleich im Rahmen des VersAusglG offen.
[2] Bei Unisextarif der VersAusglK.
[3] Jäger, Halbteilungsgrundsatz bei externer Teilung von Direktzusagen im Versorgungsausgleich verletzt, FamRZ 2010, 1714; Hauß, FamRZ 2011, 88; Jäger FamRZ 2011, 615; Hauß in FS Brudermüller, 2014, S. 277; Hauß in Schulz/Hauß NK-FamR § 17 VersAusglG.
[4] BGH v. 22.6.2016 – XII ZB 664/14 Rn. 21 = FamRZ 2016, 1654.
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